Innovation für die vernetzte Gesellschaft Unsere Zukunft liegt in der Fusion zweier Welten

Referent: Prof. Peter Wippermann

Keine Mutter schiebt ihren Kinderwagen mehr ohne Handy. Wir haben uns so an das Leben in zwei Wirklichkeiten gewöhnt, dass viele ein Smartphone schon als Körperteil ansehen. Die jungen Erwachsenen der Gen Y, zwischen 18 und 34 Jahren, kommunizieren zu 49,9 Prozent lieber digital, als sich persönlich zu treffen. Im Kinderzimmer wird schon mit Spielzeugen der Augmented- und Virtual-Reality gespielt. Die digitale Wirklichkeit hat die analoge Welt verändert. Zur Erinnerung: vor gut zwanzig Jahren wurde das World Wide Web eingeführt. Erst vor elf Jahren kam das erste iPhone auf den Markt. Privat haben wir also die digitale Transformation in die Netzgesellschaft selbstbestimmt und mit Leichtigkeit vollzogen.

Wie aber sieht es in der Arbeitswelt und Wirtschaft aus?

Die Herausforderungen liegen für Unternehmen im digitalen Umgang nicht nur mit Kunden und Technologien, sondern auch mit den Mitarbeitern und eigenen Strukturen. Nach 150 Jahren erfolgreicher Industriewirtschaft erleben wir einen Strukturwandel. Waren bisher Massenprodukte und Arbeitsteilung der Schlüssel zum Erfolg, läuft die Wertschöpfung in Zukunft vom Kunden zum Produkt: Customer Centricity ist der Quellcode der Netzökonomie. Ein deutliches Beispiel gibt uns die Automobilindustrie. Bereits 2030 werden 95% aller Personenfahrten in den USA auf Nachfrage stattfinden. Die Unternehmensberatung „Rethink X“ geht davon aus, dass autonom fahrende, elektrische Fahrzeuge Flotten-Unternehmen wie Uber oder Waymo gehören werden und nicht Individuen. Wer sein Auto gegen Mobilität eintauschen wird, kann voraussichtlich US$ 5.500 im Jahr sparen. Der Nutzen wird für den Kunden wichtiger als das Produkt.

Die digitale Konnektivität ist für Unternehmen und Kunden Voraussetzung zur Teilnahme am Markt von morgen. Industrie 4.0 und Internet der Dinge kennzeichnen die Chancen einer vernetzten Wertschöpfung. Unabhängige Energieerzeugung im Netzwerk, Cobots, kooperative Roboter, in der Produktion oder Telepflege für die medizinische Versorgung auf dem Land, konnten sich nur durch die digitale Transformation der Industriekultur entwickeln. In der Landwirtschaft überprüfen inzwischen Drohnen das Wachstum der Pflanzen und bestimmen den Erntetermin. In den Ställen geben Sensoren in Echtzeit Auskunft über den Gesundheitszustand der Tiere. Fahrstuhlhersteller schicken ihre Monteure mit Augmented-Reality-Brillen zur Montage, um die Arbeitsabläufe zu beschleunigen. Ein Autobauer hat „Sarah“, eine virtuelle Assistentin, entwickelt. Sie nutzt emotionale künstliche Intelligenz, um Verbindungen zum Kunden aufzunehmen. Ihre Aufgabe wird es sein, Autos zu verkaufen, aber auch individuelle Services wie Finanzierungen, Leasing, Versicherungen oder Carsharing anzubieten. Software hat früher existierende Arbeit effizienter gemacht, heute transformiert Software die Geschäftsideen.

Im kulturellen Wandel liegen die entscheidenden Schwierigkeiten der Netzökonomie. Die Ansprüche in der Arbeitswelt verändern sich dramatisch. Und zwar sowohl die Anforderungen, die die Arbeit an den Menschen stellt, als auch die Erwartungen, die Menschen ihrem Job und Arbeitgeber gegenüber haben. Arbeit ist das halbe Leben. Oder mehr. Oder weniger. Sinn und Selbstverwirklichung stehen höher denn je auf der Prioritätenliste von jungen Talenten. Autonomie und Selbstbestimmung sind angesichts zunehmender Digitalisierung am Arbeitsplatz stärker denn je gefährdet. Bruchlinien und Polarisierungen werden durch die Arbeitswelt gehen. Künstliche Intelligenz, Blockchain und Quantenrechner werden die Automatisierung weiter vorantreiben. Ideen, wie das bedingungslose Grundeinkommen, stellen in Frage, ob man in Zukunft arbeiten muss oder darf. Arbeit wird in unserer Gesellschaft neu definiert. Das bietet Chancen für Menschen und Unternehmen.